2004 Oktober: Mainz für Mainzer und Nichtmainzer

Mainz – das ist eine aufregende Geschichte für Nichtmainzer, aber für Mainzer? was ist noch nicht entdeckt, was es in Mainz zu sehen gibt? – die Frage wäre: Was wurde noch nicht sooo gesehen?!

Natürlich hat man schon überall in Mainz gestanden und sich umgesehen. Erst recht, wenn es sich um eine/n passionierte/n Fotografin/en handelt? Ich habe schon in viele Ecken meine Nase hineingesteckt, aber alles gesehen? Erster Vorsitzender des Fotoclubs-Mainz, Reinhold Schmelz, hatte für den Sonntag, 10.10.04 zu einem Rundgang in der Stadt ein-geladen. Er hat mit seinem heißen Draht zu Petrus das beste Wetter bestellt, das man sich als Fotograf wünschen kann. Bloß – der Wind war so kalt, dass man meinen konnte, man sei bloß. Dafür konnte Reinhold nichts und wir waren alle gut angezogen und haben der Kälte getrotzt – ja „Kälte" kann man sagen, wenn man bedenkt: vor kurzer Zeit war noch Sommer. Klar! Wir waren zum Fotografieren aus-gezogen. Soll uns mal einer mit „schlechtem" Wetter vom Fotografieren abhalten! Ich glaube, das ist unmöglich!.

Der Rundgang sollte von Gutenberg, Theater, Höfchen, Heunensäule, Marktbrunnen, Dom von aussen, Nagelsäule, Römischer Kaiser, Fischergasse, Heilig Geist, Eisenmensch, Brückenturmgalerie, Eisenturm, Rathausplattform, Schlüssel des Stundenschlägers, Rheinufer mit Sicht nach Kastel, HiltonII, Römerschiff, Algesheimer Hof, den druckenden Gutenberg, St. Christoph, Alte Universität und somit zum Ausgangspunkt, dem Gutenbergplatz führen .Bei dem am 14. August 1837 enthüllten Gutenbergdenkmal, das von Crozatier in Paris gegossen wurde, ging der Rundgang los. Gutenberg nahm’s gelassen. Trotz der Massenansammlung von Fotografen kam er nicht aus der Ruhe. Er stellte weiterhin seinen linken Fuß vor und warb für den Buchdruck. Er hat’s schwer in Zeiten des Computers. Die Modellzeichnung des Gutenbergdenkmals wurde übrigens von Ernst Ludwig Lindenschmitt dem älteren, dem eine Straße in Zahlbach gewidmet ist, angefertigt. Es müssen begnadete Hände sein, die so etwas fertig bringen. Hier können wir ausschweifen, denn wir haben keine Eile, so wie bei unserem Rundgang in der Stadt. Er sollte eine Stunde dauern – es war gut getimet. Als beim alten Gutenberg nichts mehr zu sagen war, machte das Ganze kehrt und der „Moller-bau", unser Staatstheater, lag oder besser stand vor uns. Es hat nach seiner letzten Restaurierung 2002 noch eine „Tortendose" aufgesetzt bekommen. - Wem’s gefällt. - Am besten ist es, wenn man drin ist und hinaus schauen kann, denn dann sieht man dieses „Verbrechen" an der Architektur nicht. Irgendwer hat sich vom Reichstag in Berlin infizieren lassen. Ob das Mainz weiterbringt?

Über das „Höfchen", auf dem die Bischofspfalz stand, ging es weiter zur Heunensäule. Die Heunensäule ist ein Pfeiler, der wohl für den Dombau angefertigt wurde. Sie hat eine Höhe von sechseinhalb Metern, kommt aus Miltenberg am Main und wurde zum 1000jährigen Domjubiläum dem Dom geschenkt. Die Stadt baute sie in das Marktbild ein. Gernot Rumpf hat die „Halskrause" für die Säule angefertigt und nach fünf Jahren nacktem Hals hatte die Säule ein gegossenes Geschichtsbuch. An jeder ihrer vier Ecken sind Kopfbedekkungen angebracht, die auf Epochen der Stadt hinweisen. Ein römischer Gladiatorenhelm, eine Kaiserkrone, eine Mitra und eine Jakobinermütze, aus der eine kleine Narrenkappe herauswächst. Was am meisten gefällt, vor allem den Kindern, ist der Fuchs, der den damaligen Oberbürgermeister, sowie die kleinen Mäuschen, die die Stadtratsfraktionen darstellen sollen und ebenfalls auf die Mäuseplage im neuen! Rathaus hinweisen sollen und alle aus dem Gladiatorenhelm herauslugen.

In den über tausend Jahre alten Dom konnten wir nicht gehen, weil gerade „Kirch" war. Das heißt, es wurde gerade eine Messe gefeiert und man stört die Gläubigen nicht in ihrer Andacht. Wir sind keine Störer, obwohl der eine oder andere auch mal zu Gottschalk ging? Wir konnten aber die Gotthard Kapelle sehen, die mehr oder weniger an den Dom geklebt scheint. Man hat ihre Steine in der Muschelkalkfarbe belassen und nicht ins Sandsteinrot des übrigen Doms gehüllt, wodurch sie sich sehr gut vom übrigen Gebäude abhebt. Auf unserem weiteren Weg haben wir den Marktbrunnen aus 1526 umringt. Er erinnert an die Schlacht bei Pavia (da kommen nicht die Paviane her) und das Ende des Bauernkrieges. Die Mainzer bekamen ihn „geschenkt". Heute sagt man: er hat sich ein Denkmal gesetzt. Reinhold hat darauf hingewiesen, dass es ein wandernder Brunnen ist. (Wasser gibt er keins mehr.) An der Nagelsäule war unser nächster Halt. Die Mainzer haben dieses „Kunstwerk" im Jahre 1916, also zur Zeit des 1. Weltkriegs „erbaut". Vom 1. Juli bis 20. August 1916 waren alle Nägel vernagelt. Es sind Schriftbänder eingearbeitet, die lauten: „Die Wacht am Rhein". Es hat nicht geholfen! Wir haben uns dann dem „Römischen Kaiser" zugewandt. Über den Liebfrauenplatz, wo ehedem die Liebfrauenkirche stand, wandelten wir und sahen uns die Bescherung an, die sein könnte, wenn das Wasser des Rheins noch so weit in die Stadt hinein kommen könnte, wie das im neun-zehnten Jahrhundert möglich war. Das Standbild an dem schönen Gebäude zeigt Kaiser Josef als Feldherr und gibt dem Ganzen seinen Namen. Es ging in früheren Jahren auch schon ganz schön martialisch zu. Die Menschheit hat nichts daraus gelernt. (Ach wären doch nur alle Menschen friedliche Fotografen!)

In der Fischergasse angekommen, war doch eine deutliche „Enge" zu spüren. Ich kenne keine Straße in Mainz, die eine solche Häuserschlucht darstellt. Vielleicht das Augustinergässchen, das aber keine eigentliche Straße ist. Wir nahmen auch einen un-gewöhnlichen Eingang. Die älteste Kneipe, der „Specht" konnte uns nicht aufhalten. (Der Wirt hat bestimmt noch geschlafen.) Zum Heilig Geist, dem ehemaligen Kaufhaus und Spital hin, wurde die Umgebung wieder etwas freier. Ob das im Mittelalter auch schon so sauber gewesen ist? Von dort kommend passierten wir den Antimensch von Zbigniew Fraczkiewicz, den dieser 1989 herstellte und am 8. Mai (Europatag) 1990 dort aufstellte. Er ist Zweimeterfünfundzwanzig groß und schafft es aber nicht, in den Heilig Geist zu kommen, denn er ist am Boden festgeschraubt und mit Muttern gesichert. Unter der Brücke, die zum Rathaus führt bewunderten wir die leere Brückenturmgalerie. Die Stadtväter haben sie für viel Geld bauen lassen und jetzt verscherbelt. Sie können von Glück sagen, dass sie nicht mit ihrem Privatvermögen für Ihren Mist haften. Daneben ist unser Domizil aufgebaut. Durch eine elegante Fügung dürfen wir uns dort treffen, ohne, dass es uns einen Pfennig kostet. Diesem Stadtvater sei ein Hoch! Er – der Turm – ist schon ganz schön alt! Aus dem 13./15. Jahrhundert (zweihundert Jahre haben die früher gebaut!) Stammt das alte Gemäuer und ist 1961 nochmal herausgeputzt worden. Er steht, wo im 15. Jahrhundert der Mainzer Eisenmarkt war und hat davon seinen Namen erhalten. Die am Portal angebrachten Löwen könnten die Assotiation „Löwenturm" oder „Löwentor" hervorrufen, aber nein: Eisenturm ist der Name. Eine Treppe hinauf und wir waren auf der Rathausplattform, die jetzt „Jockel-Fuchs-Platz" heißt. Von dort kann man den Turm auch schön betrachten, zumal er vormittags von dieser Seite beleuchtet wird. Die Spirale, die vor dem Rathaus ihre Finger in die Lüfte reckt, war ein „Klick" für manchen Fotografen wert. Der Blick vom linken Rheinufer auf das Rechte war auch sehr reizvoll. Man hat Kastel sehr schön vor sich liegen. Die Reduit macht, seit sie renoviert ist, einiges her. Kastel ist so gesehen ein Besuch wert. Schon die Brücke, die hinüberführt hat viel zu erzählen und birgt eine Masse Motive für fotografische Arbeiten.

An der Rheingoldhalle vorbei zum Hilton II und dort zur Nachbildung des im Keller des Hilton gefundenen Römerschiffes war nur ein kurzer Weg. Es war ein großes Loch, worin die Schiffe aufgefunden wurden. Das war schon eine Sensation. Das einzige, was ich damals fotografiert habe, war ein Bagger in Aktion. Na ja, es hat mich nicht vom Sockel gerissen. Nun gings aber kräftig bergauf und wir kamen an den Hof zum Algesheimer. Dort hat Gutenberg sein Leben beendet. Begraben wurde er in einer Kirche, die den Franziskanern gehörte und die es nicht mehr gibt. Sie stand bei der Alten Universität an der wir dann zum Abschluss unser Gruppenfoto (obligatorisch) aufnahmen. Vorher haben wir Gutenberg aber noch in Aktion gesehen. Er strengt sich mächtig an, beim ziehen an der Druckerpresse, die hinter der Ruine der Christopfskirche steht. Nach dem Gruppenfoto an der alten Universität haben wir uns in die Altstadt gewagt. Mittlerweile war es auch schon nach elf Uhr. Reinhold hatte uns versprochen, dass es mindestens eine Stunde dauert und hat Wort gehalten. In der Altstadt befindet sich eine Brauerei und in dieser war wohl Platz reserviert für durstige und hungrige Fotofans, die dort ihre Erlebnisse und Eindrücke noch etwas vertiefen wollten. It’s never ending  everlasting! Egal auf welchen Bildträger wir auch übertragen. Sei es Magnetchip, Celluloid, Leinwand oder Stein?

Mainz, am 17. Oktober 2004

Bericht: Norbert R. Wagner

Chronik